Photo: Hans Hansson from Flickr (CC BY-ND 2.0)
Von Prof. Roland Vaubel, emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre und Politische Ökonomie an der Universität Mannheim.
Interessanterweise haben sich Kommissionspräsident Juncker und Parlamentspräsident Schulz für einen möglichst schnellen Abschluss der Austrittsverhandlungen nach Artikel 50 ausgesprochen. Sie scheinen verhindern zu wollen, dass Grossbritannien noch Mitglied ist, wenn Ende 2017 die geplanten Verhandlungen über die Änderung der europäischen Verträge beginnen. Die Briten sollen nicht die Möglichkeit haben, mit einer Blockierung der Vertragsänderungen zu drohen und damit ihre Verhandlungsposition zu stärken. Diese Befürchtung ist jedoch unbegründet, denn auch die EU kann ja verhindern, dass die Austrittsverhandlungen nach Artikel 50 länger als zwei Jahre dauern. Wenn die Austrittsentscheidung im vierten Quartal dieses Jahres übermittelt wird, kann die Neufassung der europäischen Verträge ab dem vierten Quartal 2018 von den Parlamenten der Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Viel schneller wird es ohnehin nicht gehen.
Artikel 50 EUV sieht vor, dass eventuelle Nachfolgevereinbarungen mit Großbritannien von einer qualifizierten Mehrheit des Rates (ohne Großbritannien) und von einer einfachen Mehrheit des Europäischen Parlaments (kuriosererweise einschliesslich der britischen Abgeordneten) gebilligt werden müssen. Die Kommission darf nicht mitentscheiden. Sie muss aber nach Artikel 218 Absatz 3 AEUV gleich zu Beginn der Verhandlungen dem Rat Empfehlungen vorlegen. Der Rat braucht sich nicht an die Empfehlungen zu halten. Er bestellt einen Verhandlungsführer. Viel hängt davon ab, ob die Verhandlungen vom Ratspräsidenten Tusk oder von einem Mitglied der Kommission geführt werden.
Der neue britische Premierminister wird vermutlich ein Engländer sein. Er hat kein Interesse daran, dass Schottland vor dem hoffentlich erfolgreichen Abschluss der Austrittsverhandlungen – oder wenn es nicht dazu kommt, vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist – erneut über seine Unabhängigkeit abstimmt.
Jede Sezession – die britische, aber auch eine schottische – ist ein Akt der politischen Dezentralisierung. Sie stärkt den Wettbewerb zwischen den Regierungen der verschiedenen Staaten, eröffnet den Bürgern mehr Wahlmöglichkeiten und hält daher die staatliche Besteuerung und Regulierung im Zaum. Sie stärkt die Innovation und die Freiheit des Einzelnen. Das setzt natürlich voraus, dass die Freiheit des Handels und Kapitalverkehrs erhalten bleibt.
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